Gerichtsentscheidungen
Gilt eine Notiz, auf dem die Erbfolge nur andeutungsweise geregelt ist, als wirksames Testament?
Ein 2005 verstorbener Mann hinterließ ein Erbe im Wert von 730.000,00 Euro. Kurz vor dem Tod schrieb er seiner Frau einen Notizzettel (7,5 X 10,5 cm). Mit dem Zettel solle sie zum Notar gehen, "damit der Erbschein für dich ausgestellt werden kann". Die Frau fühlte sich als Alleinerbin. Das Gericht verneinte dies. Der Zettel sei nicht mit "Testament" oder "letzter Wille" überschrieben und deshalb nicht formgerecht. Das Papier spreche gegen den "ernstlichen Testierwillen" des 76-jährigen Erblassers.
OLG München; 25.09.2008; Az. 31 Wx 042/08
Darf man die Hand einer Person führen, wenn diese ihr Testament aufsetzt?
Ein 71-jähriger verstarb 1999. Schriftbild und Unterschrift seines Testaments waren unterschiedlich. Der zum Alleinerben bestimmte Freund erklärte, er habe nur "die zittrige Hand des Erblassers beruhigt", während dieser die Schriftzüge "geformt" habe. Laut Gericht war das Testament ungültig. Durch Dritte hergestellte Texte seien unwirksam, "selbst wenn sie in Anwesenheit des Erblassers nach dessen Willen und Weisungen angefertigt und vom Erblasser eigenhändig unterschrieben worden sind".
OLG Hamm; 11.09.2001; Az. 15 W 224/01
Kann man Notarkosten, die bei der Testamentsgestaltung anfallen, von der Einkommensteuer absetzen?
Eine Frau machte in ihrer Einkommensteuererklärung knapp 500,00 Euro steuermindernd geltend. Grundlage war die Notarrechnung über eine Testamentserrichtung. Das Finanzamt lehnt ab - zu Recht. Das Gericht stellte klar: Notarkosten im Zusammenhang mit dem Verfassen eines Testaments "sind der privaten Lebensführung zuzuordnen".
FG des Saarlands; 13.02.2007; Az. 1 V 1336/06
Müssen Erben für die Steuern hinterzogener Zinsen aufkommen?
Hat ein Erblasser zu Lebzeiten Steuern hinterzogen, müssen die Erben für die Nachentrichtung einstehen. Die Steuerschuld mindert jedoch den Nachlass und damit die Erbschaftssteuer. Ein Abzug der Hinterziehungszinsen erfolgt allerdings nur bis zum Tod des Steuerschuldners. Später anfallende Zinsen sind Sache des Erben.
FG München; 21.06.2006; Az. 4 K 3051/04
Wie können Erben, denen ein Pflichtteil zusteht, den Wert des Nachlasses feststellen?
Ein Mann hinterließ ein Grundstück in Köln sowie mehrere Kunstwerke, darunter Werke berühmter Maler. Einer seiner Söhne erhielt lediglich den Pflichtteil. Um seinen finanziellen Anspruch berechnen zu können, verlangte er von den Erben spezielle Wertgutachten. Das Gericht verfügte: Für das Grundstück reicht die Expertise eines unparteiischen Sachverständigen. Bei den Kunstgegenständen genüge das Urteil zweier renommierter Kunstauktionshäuser.
OLG Köln; 05.10.2005; Az. 2 U 153/04
Muss man bei der Geltendmachung seines Pflichtteils Verjährungsfristen beachten?
Eine Frau setzte 2001 ihr Testament auf und verstarb im selben Jahr. Sie hatte ihre Enkelin zur Alleinerbin bestimmt, ihrem Sohn (Vater der Enkelin) blieb der Pflichtteil. Obwohl der Sohn spätestens seit Herbst 2001 von der ihn ungünstigen Verfügung wusste, blieb er lange untätig. Erst 2005 begehrte er von seiner Tochter den Pflichtteil. Zu spät. Laut Gericht verjährt der Anspruch drei Jahre nachdem man vom Erbfall und der letztwilligen Verfügung erfahren hat.
KG Berlin; 31.05.2006; Az. 25 U 50/05
Eine Oma legt für die Enkel Sparbücher an. Gehört das Geld nach dem Tod der Frau den Enkeln oder Erben?
Eine Großmutter eröffnete zwei Sparbücher auf die Namen ihrer beiden Enkel, die das Geld nach dem Tod der Oma erhalten sollten. Die Sparbücher behielt sie bei sich. Die Frau verstarb und wurde von ihrer Tochter beerbt. Die Erbin meinte, die angesparten 10.000,00 Euro gehörten zum Nachlass. Ihre Kinder, auf deren Namen die Sparbücher liefen, verlangten die Herausgabe. Das Gericht gab den Enkeln Recht. Die Sparbücher seien eine Schenkung, die nach dem Tod der Oma wirksam wurde.
OLG Koblenz; 22.12.1994; Az. U 854/94
Wie wird das Erbe aufgeteilt, wenn im Testament nur ein Teil des Nachlasses geregelt wurde?
Im Testament einer Verstorbenen hieß es: "Mein Bruder Hans soll den größeren Teil des Geldes haben..." Wie groß der Teil sein sollte, blieb offen. Auch hinsichtlich des restlichen Nachlasses traf die Frau keine Regelungen. Das Gericht sprach dem Bruder 35.000,00 Euro zu - die Hälfte des gesamten Nachlasses. Jede Aufstockung über die Hälfte - und "sei es um ein Tausendstel" - erschien den Richtern "willkürlich". Die andere Hälfte fiel den gesetzlichen Erben zu, der Bruder ausgenommen.
LG München I; 08.07.1998; Az. 16 T 9691/97
Zählt ein nach dem Tod eingetretener Lottogewinn zum Erbe?
Eine Frau nahm am Lotteriesparen teil, wobei der Vertrag nach ihrem Tod weiterlief. Tatsächlich entfiel auf das Los der Verstorbenen ein Gewinn (5.000,00 Euro). Ein Pflichtteilsberechtigter meinte, der Gewinn gehöre zum Nachlass und erhöhe damit seinen Anteil. Die Richter verneinten dies. Der späte Gewinn fällt den Erben zu. Nur wenn ein Lottoschein gewinnt, den der Verstorbene bezahlt hat, zählt das Geld zum Nachlass.
AG Pirmasens; 20.05.1998; AZ. 1 C 26/98
Wer erbt, wenn ein im Testament Bedachter tot ist und keine Ersatzerben aufgeführt sind?
Ein lediger, kinderloser Mann bestimmte seine langjährige Lebensgefährtin zur Alleinerbin. Diese verstarb vor dem Erblasser. Nach dem Tod des Mannes 1998 wurde das unveränderte Testament gefunden. Den Nachlass beanspruchte nun, obwohl er nicht als Ersatzerbe benannt war, der Sohn der Lebensgefährtin - vergeblich. Laut Gericht hätte er nur eine Chance gehabt, wenn der weggefallene erbe ein Abkömmling gewesen wäre. So erbten die Geschwister des Mannes.
BayObLG, 25.08.2000; Az. 1Z BR 15/00
Können sich mögliche Erben auf ein Testament berufen, das nicht mehr auffindbar ist?
2006 besprach eine Frau mit einem Notar den Entwurf eines Testaments. darin setzte sie die Tochter ihrer früheren Arbeitgeberin als Alleinerbin ein. Kurz vor der Beurkundung starb die 91-jährige. Laut Gesetz erbten die Verwandten. Die Tochter der Ex-Chefin ging leer aus. Sie konnte sich auch nicht auf ein früheres (für sie günstiges) Testament der Toten berufen, denn das Papier wurde nie gefunden. Das Gericht konnte den Inhalt nicht klären, die mündliche Wiedergabe der Klägerin reichte nicht.
OLG München; 16.04.2008; Az. Wx 94/07
Was passiert, wenn ich im Haus des Toten ein Testament finde und es nicht ans Gericht gebe?
Ein Mann fand nach dem Tod seiner Ex-Lebensgefährtin in deren Wohnung persönliche Unterlagen. Ohne sie zu sichten, packte er die Papiere in eine Kiste und verstaute sie im Keller. Unter den Dokumenten befand sich eine für die Stellung der Erben wichtige und den Mann ungünstige "Testaments-Ergänzung". Weil er die Verfügung fahrlässig nicht unverzüglich beim Nachlassgericht abgeliefert hatte, musste der Mann anderen Erben Schadenersatz zahlen, u.a. die Kosten für das Gerichtsverfahren.
Brandenburgisches OLG; 12.03.2008; Az. 13 U 123/07
Wie wichtig ist für die Erbfolge der exakte Todeszeitpunkt?
Im Erbrecht zählen Sekunden: Ein Vater starb gleichzeitig mit seinen beiden Kindern bei einem Verkehrsunfall (rechtsmedizinisches Gutachten). Hätten die Kinder den Vater nur um eine Sekunde überlebt, wäre sie Miterben des Vaters geworden. Nach dem Tod der Kinder wäre die Ehefrau (und Mutter) Alleinerbin geworden. So aber erbte nicht nur sie, sondern auch die Schwester des Verstorbenen.
OLG Hamm; 12.06.1995; Az. 15 W 120/95
Wie wichtig ist für die Erbfolge der exakte Todeszeitpunkt?
Im Erbrecht zählen Sekunden: Ein Vater starb gleichzeitig mit seinen beiden Kindern bei einem Verkehrsunfall (rechtsmedizinisches Gutachten). Hätten die Kinder den Vater nur um eine Sekunde überlebt, wäre sie Miterben des Vaters geworden. Nach dem Tod der Kinder wäre die Ehefrau (und Mutter) Alleinerbin geworden. So aber erbte nicht nur sie, sondern auch die Schwester des Verstorbenen.
OLG Hamm; 12.06.1995; Az. 15 W 120/95
Wie kann ein Ehegattentestament widerrufen werden?
Eheleute setzten sich 1992 gegenseitig als Alleinerben ein, 2001 widerrief die Frau das Testament und bestimmte andere Erben. Laut Gericht ist ein solcher Schritt an strenge Regeln gebunden. Nur wenn dem Ehepartner die notarielle Widerrufserklärung im Original oder in Form einer notariellen Ausfertigung zugeht, wird sie wirksam. Eine Abschrift oder beglaubigte Kopie reicht nicht aus.
OLG Zweibrücken; 18.04.2005; 3 W 15/05
Darf man Nachlassgegenstände an sich nehmen, um sie vor anderen Erben zu sichern?
Nein. In diesem Fall können die Miterben die Rückgabe der Gegenstände verlangen. Dies gelte auch für den Fall, dass zuvor andere Erben Teile des Nachlasses beiseite geschafft haben, so die Richter. Im konkreten Fall hatten Miterben u.a. Schmuck aus dem Haus der Toten "gesichert".
AG Rostock; 08.07.2005; Az. 46 C 261/05
Darf man Sanktionsklauseln ins Testament einfügen?
Ja. Ein Mann hatte festgelegt: "Sollte gegen mein Testament Einspruch oder Klage erhoben werden, so verfüge ich hiermit, dass diese Person von einem jeglichen Erbe meines Nachlasses ausgeschlossen wird." Als vier der Erben das Testament anfochten, beantragte der Fünfte mit Erfolg, sie vom Erbe auszuschließen.
OLG Dresden; 16.02.1999; Az. 1571/98
Was passiert, wenn man feststellt, dass die Unterschrift unter einem Testament gefälscht ist?
Nach einem Todesfall bezweifelte ein Hinterbliebener die Echtheit der Testamentsunterschrift. Er verdächtigte die Erbin der Fälschung. Tatsächlich kamen mehrere Gutachter zu dem Schluss, dass die Unterschrift "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht vom Erblasser stammt, sondern in Fälschungsabsicht fremdgefertigt wurde". Die Frau wurde daraufhin für erbunwürdig erklärt.
OLG Frankfurt; 27.04.2007; Az. 24 U 6/05
Kann jemand zunächst seinen Erbteil ausschlagen und später seinen Entschluss revidieren?
Ein Mann hatte 1997 seinen Anteil am Erbe eines Verwandten ausgeschlagen, weil er glaubte, der Nachlass sei überschuldet. Als er 2000 erfuhr, dass auf Schweizer Konten des Erblassers 50.000,00 Euro liegen, versuchte der Mann, seinen Schritt rückgängig zu machen - mit Erfolg. Tenor des Urteils: Werden Vermögenswerte später bekannt, berechtigt ein derartiger Irrtum zur Anfechtung einer Ausschlagungserklärung.
KG Berlin; 16.03.2004; Az. W 120/01
Eine alte Frau enterbte ihre Tochter. Ist damit automatisch auch ihr Enkelkind enterbt?
Ohne Angabe von Gründen enterbte eine Frau ihre Tochter. Letztere wiederum verstarb vor ihrer Mutter und hinterließ einen Sohn. Nach dem Tod seiner Großmutter kämpfte der Enkel um das Erbe und obsiegte. Nach Ansicht der Richter enthielt das Testament keinen ausdrücklichen Hinweis darauf, dass der Kläger leer ausgehen sollte.
LG Neubrandenburg; 11.08.1995; Az. 3 T 117/95
Gilt ein Testament, wenn der Vererbende es aus der amtlichen Verwahrung nimmt?
Eine Frau aus Aschaffenburg hatte einen der Söhne zum Alleinerben bestimmt und das Testament 1992 beim Amtsgericht hinterlegt. 1998 nahm sie das notariell beglaubigte Papier aus der amtlichen Verwahrung. Als sie starb, musste der Sohn den Nachlass mit seinen Geschwistern teilen. Begründung der Richter: Anders als bei einem "hinterlegten privatschriftlichen Testament" widerruft der Erblasser seinen notariell verfügten Letzten Willen, sobald er ihn aus der amtlichen Verwahrung nimmt.
OLG München; 11.05.2005; Az. Wx 19/05
Wer muss für die Kosten der Bestattung aufkommen?
Eine Tochter wollte die Bestattung ihrer Mutter nicht zahlen, da sie im Heim aufgewachsen war und keinerlei Kontakt zu ihrer Mutter bestand. Das Gericht verdonnerte sie zu zahlen. Eine Beerdigung müsse immer von den nächsten Verwandten bezahlt werden.
VG Karlsruhe; 01.07.2001; Az. 11 K 2827/00
Wer zahlt die Beerdigung, wenn das Erbe ausgeschlagen wurde?
Ein Sohn sträubte sich, für die Beerdigungskosten seines 2003 verstorbenen Vaters in Höhe von 1.600,00 Euro aufzukommen. Begründung: Er habe sich mit dem Vater überworfen und das Erbe wirksam ausgeschlagen. Das ließen die Richter nicht gelten. Der Sohn musste die Kosten tragen.
VG Koblenz; 14.06.2005; Az. 6 K 93/05 KO